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Alt 23.09.10, 18:08:18
SilberEisen
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Zitat von Manu16
Ich hab nichts allgemein gegen Ausländer aber bei manchen Leuten denk ich mir echt dass man sie einfach abschieben könnte.

Hoffe mal auf dem Spieleplaneten darf ich meine Meinung sagen (hab ich ja grad getan) ohne dass ich gleich blöd angemacht werde. In Deutschland ist das ja normal so: Meinung sagen ist ja grad ein heikles Thema, aber wir sind ja unter uns.
Erstmal ganz unabhängig vom Thema...

Das Problem mit dem Meinung sagen ist halt, dass man damit die Meinung des Umfelds auch beeinflusst, insgesamt entsteht durch dieses Geraune eine Meinung in der Gesellschaft, die wenig mit Fakten zu tun hat.

Außerdem beleidigt so eine Meinung jedes Mal eine Gruppe von Menschen... manchmal muss das sicherlich sein, sollte aber vorher berücksichtigt werden...


Und jetzt zu der "Ausländerproblematik"

Wichtig! Im Folgenden, besonders im letzten Satz, muss ich pauschalisieren und überspitzen, um die Gedankengänge vermitteln zu können. Natürlich weiß ich, das manches in dem Text in Wirklichkeit viel differenzierter und weniger deutlich ist. Versteht die Thesen eher als: "Man könnte es manchmal auch so sehen..."
Manchmal ist das, was ich sage, auch etwas unangenehm, weil ich unserer Gesellschaft durchaus Vorwürfe mache. Ich hoffe es fühlt sich keiner angegriffen... ;-)

Ich komme von einem Jahr in Vietnam zurück. Ich kannte dort zirka 50 andere Freiwillige aus Deutschland, allesamt angehende Studenten, also durchaus die Bildungsoberschicht Deutschlands... von denen hat sich in dem Jahr kein einziger vernünftig integriert, nur wenige haben die Sprache auch nur halbwegs gelernt, alle sind hauptsächlich mit anderen Ausländern weggegangen, und wenn es Freundschaften mit Vietnamesen gab, dann nur, weil die auch Englisch sprachen. Vietnamesische Werte wurden überhaupt nicht übernommen. Trotzdem wurden wir Ausländer bewundert, uns wurde von vornherein ein sehr hoher Status eingeräumt, wir wurden gastfreundlich aufgenommen, unsere Sprachfetzen wurden gelobt und so weiter.

Jetzt kann man das ganze auf Deutschland übertragen...
Ausländer sind in Deutschland im Durchschnitt gewalttätiger als gebürtige Deutsche, alles andere wäre gelogen.
Aber warum?
Gene? Natürlich nicht. Dieses Argument wird komischerweise immer nur angeführt, um sich - arrogant - über die anderen zu heben. Etwa ein Drittel der Deutschen geht aufs Gymnasium, unter den Deutsch-Vietnamesen sind es 50%, und das trotz der massiven Zusatzherausferderung Fremdsprache. Sind die schlauer als wir? Wohl ebenso wenig...

Ich sehe die Ursache woanders...
Wer hier als Ausländer - ich nehme als Beispiel einfach einen Türken, obwohl das Stereotypen verstärkt - hier ankommt, dem widerfährt nicht das, was wir in Vietnam erfahren durften. Dessen Sprachkenntnisse werden nicht gelobt, sondern von vornherein wird sich darüber lustig gemacht und öffentlich empört.
Natürlich hat er einen geringeren Bildungshintergrund. Doch anstatt Bemühungen zu machen, das Problem zu beheben (bzw. ihn besonders zu fördern, schließlich steht er auch vor größeren Hindernissen) werden diese mangelnden Fähigkeiten (und seien wir mal ehrlich, das machen doch die meisten von uns, ich übrigens auch) in eine geringere Wertigkeit des Menschen übersetzt. Mit dem kann man sich ja nicht mal vernünftig unterhalten, mit dem will ich nicht befreundet sein. Die eigenen kulturellen Werte werden kaum geschätzt sondern es wird von vornherein jeder Punkt kritisiert, in dem nicht sofort eine vollständige Anpassung stattgefunden hat.
Türkische Großfamilie, hahaha... aber ist es nicht asozial, wie wir aus Karrieregeilheit und weil es nervig ist, die alten Menschen aus unserem Leben fernhalten, indem wir rechtzeitig (mit ca. 20) ausziehen und uns von unseren Eltern abkoppeln bevor sie zur Last werden könnten? Ist das nicht mindestens genauso diskriminierend, wie wenn man Frauen im Gegensatz zu Männern nicht nur (wie wir es tun) die Verhüllung des Oberkörpers sondern auch der Haare vorschreibt? Wer legt das fest und wer darf darüber urteilen?

Egal, zurück zum Thema, wer also hier ankommt, hat wohl sowieso schon keine gute Stellung und oft auch kein großes Selbstbewusstsein, den nauch er wird seine Stellung in der Gesellschaft fälschlicherweise auf seine Person projizieren, anstatt auf seinen Hintergrund. Täglich wird er also von der Gesellschaft gedemütigt und im Stich gelassen. Das passiert zum Großteil natürlich ohne jede Schuld, wir können uns ja nicht um jeden kümmern, und allein ein mitgehörtes Gespräch in schwierigerem Vokabular wird ihn demütigen, er weiß, dass er dieses Niveau in seiner zweiten Sprache so schnell nicht erreichen wird...

Wie also kann man in so einer Situation überleben? man baut sich eigene Domänen auf, Dinge in denen man gut ist, in denen man die sonst immer besseren hinter sich lassen kann und sich - ganz wichtig - Respekt und Achtung erarbeiten kann. Wie geht das ohne Bildung und ohne finanzielle Mittel?

1. Menschen mit den gleichen Problemen suchen und sich austauschen, womöglich endlich mal wieder in der eigenen Sprache, in der man sich gepfelgt ausdrücken kann. Reaktion unserer Gesellschaft? "Die wollen sich nicht integrieren, die hängen immer nur zusammen rum".

2. "Cool sein": Jugendsprache, eigene Ausdrucksformen und Nichtakzeptanz aller, die diese nicht übernehmen. Reaktion unserer Gesellschaft? "Die Hosen sehen aus, als häte jemand reingekackt", "Lans haben die Haare immer so schwul zur Seite gegelt", ... auch diese Domänen werden also wieder angegriffen. Lans, ich nenn sie einfach mal so, legen sehr viel mehr Wert auf ihre Frisur. Warum kann das nicht einfach mal geachtet werden anstatt gleich wieder lächerlich gemacht?

3. Gewalt... sicher nicht die beste Methode :-P aber vielleicht für viele die einzige. Hier kann man sich unter den sonst so arroganten Bourgeoisen Weichlingen (wie mir) endlich mal Aufmerksamkeit, Respekt und Einfluss verschaffen. Sicherlich als Weg nicht akzeptabel, aber mit den Alternativen sieht es auch nicht allzu rosig aus...



Zurück zu dem Vietnam-Vergleich... man könnte sagen, wir als Freiwillige pumpen in Vietnam Geld in die Wirtschaft, hier belasten die Immigranten den Sozialstaat. Ganz abgesehen davon, dass junge Immigranten (wenn des eines fernen Tages die Integration mal funktioniert) unser demographisches Problem lösen könnten, mal folgende Frage: Können sie denn was für ihren mangelnden Bildungshintergrund bei der Einreise? Sind sie uns, die wir halt von Geburt an wie die Maden im Speck leben, und es trotzdem nicht sein lassen können, sie auch noch zu geringschätzen, wirklich zu so viel Dank verpflichtet? Ist es nihct unsere Aufgabe, jeden der unsere Landesgrenzen überschreitet prinzipiell freundlich, hilfsbereit und achtungsvoll aufzunehmen?
Tun wir doch schon. Oder? Natürlich schlagen wir keinen und lachen keinen auf offener Straße aus. Doch gerade diese Neuankömmlinge brauchen besondere Unterstützung, besondere Wertschätzung und Respekt, denn was sie an Integration leisten, ist mehr als die meisten von uns emotional jemals leisten mussten. In Vietnam funktioniert das, auch dort mögen nicht alle Ausländer, auch dort wird manchmal über sie gelacht, aber prinzipiell fühlt man sich geschätzt und respektiert, nicht nur geduldet.
Formuliere ich es einfach mal krass: Wenn wir von Ausländern geschlagen werden, haben wir das als Individuum (in der Regel) nicht verdient. Aber wenn man diesen Schlag als Echo für die Verhaltensformen der Gesellschaft sieht, vielleicht ein bisschen schon...

Auch ich hasse es, mich ständig bedroht zu fühlen, die Individuen die uns schlagen sind natürlich Arschlöcher, keine Frage. Selbst Verständnis für die Gewalt kann man wohl nicht wirklich verlangen, schön wäre nur ein bisschen mehr Achtung und Wertschätzung für die (emotionale) Leistung derer, die ums Überleben und behaupten in dieser Gesellschaft kämpfen.

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