Thema: Spieletests
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#3
Alt 07.09.11, 17:10:35
maphios
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Es gibt mittlerweile auch eine Gegendarstellung auf Spiegel Online von Petra Fröhlich, der Chefredakteurin der PC Games.

Hier mMn die Kernaussage von ihr:

Christian Schmidt will Videospiele als Medium mit gesellschaftlicher Aussagekraft, als Kulturgut und Kunstwerke verstanden wissen. Ich rate zu Aufrichtigkeit: Die allerwenigsten Spiele taugen für ökonomische, politische, ethische, künstlerische oder gesellschaftliche Urteile, wie im Übrigen auch die wenigsten Kinofilme, TV-Serien und Bücher.

Interessant auch die Antwort von Jörg Langer, der Ex-Chefredakteur von Gamestar und (Mit)Gründer von GG:

Ich will mich hier nicht als der große Schlichter aufspielen, zumal ich zu ca. 90% auf Micks Seite bin und mich über einige von Christians Aussagen schon sehr wundere. Darum nur ganz kurz: Es gibt aus meiner Sicht drei Gruppen von Spieleredakteuren.

Jene, die gewissermaßen in die Meta-Ebene transzendieren, weil sie die letztlich immer gleichen Mechanismen von Spielen persönlich -- meist nach Jahren der Berufsausübung -- nicht mehr so erquicklich finden. Sie streben oft danach, "hinter das eigentliche Spiel" zu blicken, Spiele als künstlerisches Medium oder auf ihre gesellschaftliche Relevanz hin zu untersuchen. Sie schielen aufs Feullieton, wo sie -- wenn sie gut schreiben -- auch hingehören. Ihre ehemalige Liebe zum Sujet verändert sich oft zu einer Connoisseur-Mäkelei: Nur das ganz Neue, Ungewöhnliche, die wenigen Perlen, die paar Spiele, die sich aus ihrer Sicht mit Autorenfilmen oder Theaterstücken messen können oder zumindest die Ansätze dazu zeigen, genießen noch ihre Gnade.

Und eben jene, die sich eher als Arbeiter sehen (aber nicht weniger als Journalisten), denen auch nach Jahren nicht die Lust am Spielen oder am Spieletesten vergangen ist. Ich zähle mich klar zu letzterer Gruppe, die man auch die "Zurückgebliebenen" nennen könnte. Auch wenn ich es mir zutraue, einige der gravitätischen Gedankengänge der ersten Gruppe zumindest nachvollziehen zu können. Übrigens muss auch der Arbeiter aufpassen, nicht deswegen ein Gears of War 3 runterzumachen, weil er persönlich das immer gleiche Spielprinzip schon in- und auswändig kennt.

Ich denke, beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Und sie schließen sich auch nicht aus, dafür gibt es z.B. auf GamersGlobal immer wieder Beispiele, in vielen Tests ebenso wie in Reports oder Meinungen. Nur steht bei uns halt immer das Handwerk im Vordergrund.

Ach, und die 3. Gruppe? Das sind einfach die schlechten Spiele-Journalisten. Ob sie nun zur ersten oder zweiten Gruppe gehören wollen.
Jörg Langer kann ich eigentlich nur zustimmen. Es gibt eben mehrere Arten von Spielejournalisten. Beides hat seine Daseins Berechtigung und beides hat auch seine Kundschaft. Christian Schmidt will eben, dass die Spieletests mehr in die journalistische Ecke gehen und hat dazu einen kontroversen Artikel geschrieben, der wohl primär als Denkanstoß dienen soll. Jörg Langer und Petra Fröhlich halten den Ansatz zwar in einigen Punkten für überlegenswert, aber sehen eben auch, dass man so nur bei wenigen Spielen verfahren könnte.


Edit:
Christian Schmidt selbst hatte sich mittlerweile auch nochmal im Gamestar Forum gemeldet:

Hey zusammen,

da Fabian seinen Facebook-Kommentar hier gepostet hat, stelle ich der Vollständigkeit halber meine Facebook-Antwort an ihn auch hier rein:

Fabian, danke dir für die offenen Worte. Natürlich hast du recht, wenn du mir vorwirfst, dass ich meine Überzeugung schon zu GameStar-Zeiten hätte umsetzen müssen, auch wenn sie in dieser Ausprägung erst im letzten Jahr gereift ist, in dem ich meine Zukunft dort schon in Zweifel gezogen habe.

Ich habe lange überlegt, ob es legitim ist, Kritik an einem System zu äußern, das man selbst mitgetragen hat; ob diese Kritik glaubwürdig ist, wenn sie von einem Ausgeschiedenen kommt; und ob die Öffentlichkeit das richtige Forum für etwas ist, das man auch als interne Angelegenheit betrachten kann. Wenn mir die Sache nur mäßig wichtig gewesen wäre, hätte ich es gelassen. Aber es ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich liebe diese Branche. Sie könnte nur so viel besser sein, sie könnte so viel mehr über Spiele sagen. Ich maße mir nicht an, den allseligmachenden Weg ins Glück zu kennen. Aber zumindest sollte man darüber nachdenken, ob die Richtung noch stimmt.

Ich rede übrigens auch keinem verquasten Geschwurbel das Wort. Ich will keine Intellektualität um der Intellektualität willen, das wäre Affektiertheit. Ich finde das GameStar-Wertungssystem sogar sinnvoll, weil es alle mechanischen Erwägungen kompakt zusammenfasst. Aber muss der zugehörige Text dann wirklich zum größten Teil daraus bestehen, die noch mal auszuführen? Wäre da nicht Platz für mehr – nicht zwangsläufig für etwas völlig anderes, aber für MEHR als nur Funktionsaufzählungen? Darüber sollte man nachdenken.

Ich kann gut verstehen, dass das der Essay hier auch im Hinblick auf mich und mein Verhältnis zu GameStar ausgelegt wird (auch wenn man nicht so weit gehen muss wie Marvin). Aber ich denke, dass es es doch besser wäre, sich auf die Sache zu konzentrieren. Denn darum geht es mir - nicht um eine "Abrechnung", wie Spiegel Online getitelt hat.

"Mich hat der Erfolg von Ikea in Japan nicht überrascht. Den Japanern ist es doch wurst, wenn beim Tisch die Beine fehlen." - Harald Schmidt

Geändert von maphios (07.09.11 um 17:35:08 Uhr)