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Alt 14.11.11, 15:28:19
digiblogger
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@Zahl/Ob3rst

Mhm... okay vielleicht habe ich mich etwas falsch ausgedrückt.

Eine "neue" Partei zieht allein schon deswegen Wähler an, weil sie "neu" ist. Wiederspricht sich dabei auch noch allen anderen Parteiprogrammen hinsichtlich ihrer Ziele, steigert sie unter der Voraussetzung, dass andere Parteien in der Vergangenheit scheiterten, bereits dadurch ihre Attraktivität. Nicht nur bei den Nicht-Wählern, sondern, klar, logischerweise auch bei den "Anders-Wählern".

Ich kenne die Ziele der Piratenpartei, kurz zusammengefasst:

- Steigerung der direkten und indirekten demokratischen Mitbestimmung
- Wahrung der allgemeinen Rechte der einzelnen Individuen
- Wahl meherer Parteien/Parteivertreter pro Wahl
- Nichtkommerzielles Zugänglichmachen, Speichern, Nutzen und Kopieren von Werken
- Kulturförderung unter Förderung positiver und Eindämmung negativer Konsequenzen
- Verkürzung der Rechtsansprüche auf urheberrechtlich geschützte Werke
- Rückführung urheberrechtlich geschützer Werke an die Öffentlichkeit
- Abbau von Monopolen und offenen Märkten über Patentverkürzung und Reorganisation
- Abschaffung von Patenten auf Software, genetisches Material und Ideen
- offene Standards und Förderung freier Software
- Allgemeiner Zugang zur digitalen Kommunikation
- Abschaffung/Abbau von Zensur
- Schutz der Privatsphäre, Persönliche Entscheidung über Verwendung personenbezogener Daten
- keine transparenten Bürger, dafür: transparenter Staat
- kostenlose Bildung und Medienkompetenz
- ausnahmslose Vollbeschäftigung
- Wahrung der geschlechtlichen/sexuellen Identität
- freie Selbstbestimmung
- Familienförderung
- verantwortungsbewusster Umgang mit Energie, Umwelt und Ressourcen

Das alles liest sich ein wenig wie ein Märchen... oder nennen wir es Utopie. Allerdings fällt mir nur eine Staatsordnung ein, in der diese recht optimistisch gesteckten Zeile wirklich durchführbar sind und das wäre eine Anarchie unter der Voraussetzung, dass jeder Einzelne exakt diese Ziele anstrebt.
Allerdings sind wir - gottseidank - weit weg von dieser totalen Herrschaftslosigkeit und leben nunmal in einem demokratischen Rechtsstaat.

Und dieser kann (nicht einmal idealtypisch) die Interessen und moralischen Vorstellungen aller Individuen leider nicht gänzlich berücksichtigen, also werden anhand repräsentativer Gruppen (gewählte Politiker) Entscheidungen gefällt. Doch leider ist der Grad zwischen dem Ziel eines Politikers und seiner individuellen Absicht und seiner Absicht als Repräsentat nicht so schmal wie er sein müsste, sodass nunmal lediglich ein Rechtssystem entstehen kann, dass auf Annahmen, Vermutungen, Erfahrungen und moralischen Vorstellungen weniger beruht.

Was ich damit sagen will:
Ich glaube beispielsweise nicht, dass das sehr vielversprechend klingende Ziel des "Nichtkommerzielles Zugänglichmachens, Speicherns, Nutzens und Kopierens von Werken" in der Realität gelebt werden kann. Ihr habt absolut Recht: Damit ist nicht die Abschaffung des Urheberrechts und Patentrechtsgemeint (auch wenn die weiteren Ziele schon sehr darauf schließen lassen). Allerdings frage ich mich, wie so etwas gelebt werden soll?

Wenn es legal ist, geistiges Eigentum für eigene nicht kommerzielle Zwecke zu verwenden, wird es künftig kinderleicht sein, an ehemals geschütztes Material heranzukommen. Solange die Menschheit existiert führte die Verfügbarkeit eines Gutes, also auch eines geistigen Gutes, zu Handel. Nur wird hier eben nicht mehr die Idee gehandelt (denn diese ist allgemein zugänglich), sondern das, was dieser Idee entsprungen ist - und zwar ohne dem Schöpfer der Idee auch nur eine Chance zu geben, die Weiterverarbeitung und damit dem Kommerz selbst zu nutzen.

Als Endkonsequenz (denn niemand zahlt für eine Idee, die jeder legal besitzen darf, ohne sie zu bezahlen) ist eine Unrentabilität von Forschung und Wissenschaft. Wo steht denn Forschung, wenn niemand sie finanziert? Wo steht Wissenschaft, wenn sich die Finanzierung selbiger nicht lohnt, weil das erlangte Wissen keinen kommerziellen Nutzen hat?

Als Fazit:
Viele Ziele der Piraten wären sicherlich lobenswert, wenn sie denn ohne folgeschwere Einbußen durchführbar wären. Aber ich bin mir sehr sicher, dass ein Leben dieser Ziele in keinem System von Individuen gelebt werden kann.

Und selbst wenn ich mir alle anderen Ziele anschaue... prinzipiell dienen diese Ziele genau zwei Dingen: 1. Einem Zugewinn von Wählern und Mitgliedern und 2. eine Wahrung jener Rechte, die einem sowieso verfassungsmäßig zustehen.

Nehmt mir das nicht übel, aber die Verfassung abtippen und auf ein Parteiprogramm malen kann jeder... das Problem ist einfach, dass die Anerkennung all dessen weltweite Zustimmung finden muss. Und das wird sie nicht, solange sich Individuen durch ihre Individualität (Sprache, Kultur, Religion, Orientierung, Moral) auszeichnen.

Bewertung zu diesem Post
Orcus meint: Auf welches Parteiprogramm trifft "Viele Ziele der ... wären sicherlich lobenswert, wenn sie denn ohne folgeschwere Einbußen durchführbar wären." denn nicht zu?

Einfachheit ist das Resultat der Reife